Infodienst 1 / März 2022

Gesünderes Arbeiten durch Digitalisierung Vielfalt und Gesundheit zusammendenken Die Maske wird zum Alltagsgegenstand Gesund im Betrieb März 2022 Infodienst1 www.berufsverband-hauswirtschaft.de

Infodienst 1/22 3 Editorial Beatrix Flatt den Fachkräfte- und Personalmangel spüren viele Branchen. Auch in der Hauswirtschaft fehlen Arbeitskräfte. Um die hauswirtschaftliche Versorgung und Betreuung von Menschen auch in Zukunft zu sichern, braucht es ausreichend Mitarbeitende in diesem anspruchsvollen und oft auch belastenden Beruf. Nur gesunde Menschen können gut arbeiten und gute Leistungen bringen. Psychisches und physisches Wohlbefinden sind Voraussetzung dafür. Die Weltgesundheitsorganisation definiert Gesundheit nicht bloß als Abwesenheit von Krankheit und Gebrechen, sondern als Zustand völligen körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Wohlbefindens. Verhältnisse am Arbeitsplatz können Menschen psychisch und physisch krank machen. Es ist oft ein schleichender Prozess, der zum Beispiel durch Überlastung, Erschöpfung, schlechte Arbeitsbedingungen, Unzufriedenheit oder mangelnde Wertschätzung in Gang gesetzt wird. Wie kann man diese Abwärtsspirale unterbrechen? Thomas Nehr, Geschäftsführer eines ambulanten Pflegedienstes in der Region Stuttgart, arbeitet seit über zehn Jahren an einem betrieblichen Gesundheitsmanagement für seinen Betrieb – sehr erfolgreich. Die Personalknappheit hat sich in seinem Betrieb entspannt, die Krankenquote ist gesunken und es gibt Bewerbungen auf freie Stellen. Sein Ziel ist es, dass Mitarbeitende nicht am Limit arbeiten. Denn das macht Mitarbeiter auf Dauer krank. Interessant sind auch die Erfahrungen des Berliner Pflegedienstes Tertianum Care. Hier wird Gesundheitsmanagement und Diversity-Management zusammengedacht, denn ein gesundes Arbeiten ist nur in einem wertschätzenden und vorurteilsfreien Arbeitsumfeld möglich, so die Geschäftsführerin Inken Albrecht. Auch der Berufverband Hauswirtschaft hat wie mittlerweile 4500 andere Unternehmen und Institutionen bereits 2016 die Charta der Vielfalt unterzeichnet und sich damit verpflichtet, die Anerkennung, Wertschätzung und Einbeziehung von Vielfalt in der Arbeitswelt in Deutschland voranzubringen. Betriebe, die auch in Zukunft qualitativ hochwertige hauswirtschaftliche Leistungen erbringen möchten, brauchen genügend und vor allem gesunde Mitarbeitende. Ein fest verankertes und nachhaltiges betriebliches Gesundheitsmanagement, das Mitarbeitende mental und körperlich stärkt, kann dabei helfen. Herzliche Grüße Liebe Leser und Leserinnen, Beatrix Flatt

Infodienst 1/22 4 Editorial Mit Dank an unsere Sponsoren: Inhalt 6 Mit Herz für die Gesundheit 10 TruDI bringt Gesundheit 12 Corona und Hauswirtschaft 15 Für bessere Luft und besseres Klima 16 Lüften und Filter gegen die Pandemie 19 Gelebte Vielfalt 20 Gesund durch Vielfalt 23 Schluss mit dem Tabu 26 Was verbirgt sich hinter den Masken? 30 Gesundheit fördern – Strukturen entwickeln 32 Gesunde Haut 34 Ein Name für das neue Magazin? 35 Lebensmittelhygiene nach DIN-Normen 34 Zweiter Deutscher Hauswirtschaftskongress 36 Tagungsdokumentation „Leben 2050” 37 Gudrun Seibert verabschiedet sich 38 Menschen im Berufsverband 39 Fortbildungen 40 Bewusstes Essen wird Megatrend 41 Was tun bei Stromausfall in Pflegeeinrichtungen? 42 Neue Mitglieder, Impressum 3 Aus dem Berufsverband Aus der Berufspraxis Service S. 10 Gesünderes Arbeiten durch Digitalisierung S. 19 Vielfalt und Gesundheit zusammendenken S. 26 Die Maske wird zum Alltagsgegenstand Berufsverband Hauswirtschaft auf Facebook Betriebliches Gesundheitsmanagement Digitalisierung Interviewstudie Hauswirtschaftspreis Technik Best Practice Diversity Management Sicherer Arbeitsplatz Gesundheit Management Arbeitsschutz Aktuelles Ihre Ansprechpartner Karriere Für Sie kurz notiert Wertgeschätzt & willkommen Titelfotos: clipdealer–IgorVetushko; Erik Bohr.Fotograf – pulsnetz KI; Tertianum Care; shutterstock_Syda Productions

6 Infodienst 1/22 Wenn Thomas Nehr von Gesundheitsmanagement spricht, geht es ihm nicht um rückenfreundliches Arbeiten oder Entspannungskurse. „Das sind Basics”, so der geschäftsführende Vorstand von „Diakonie ambulant – Gesundheitsdienste Oberes Murrtal e.V”. Er formuliert das Oberziel des Gesundheitsmanagements folgendermaßen: „Die langfristig gesicherte Versorgung der Bürger*innen im oberen Murrtal.” Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es genügend Fachkräfte im Bereich Pflege und Therapie. Es gibt generell zu wenig Fachkräfte in diesem Bereich, aber in einer ländlichen Region wie dem Murrtal ist es noch einmal schwieriger, passende Mitarbeiter*innen zu finden. Somit lag der Fokus des Gesundheitsmanagements von Anfang an auf Mitarbeiter-Bindung, Mitarbeiter-Entwicklung und Mitarbeiter-Gewinnung. Mit dem Thema Gesundheitsmanagement beschäftigt sich das Unternehmen bereits seit 2010. „Das waren aber zunächst Einzelmaßnahmen”, so der Geschäftsführer rückblickend. „Seit 2012 denken wir das Thema ganzheitlich und als Konzept.” Nehr hat das Projekt „BELEV” und somit die Mitarbeiterbefragung als Herzstück von Belev in einem Team aus Führungskräften verschiedener Einrichtungen der Diakonie Württemberg erarbeitet. Er ist begeistert von diesem Konzept und kann es nur weiterempfehlen. Der Erfolg stellte sich schnell ein. Bereits ein Jahr nach der ersten Mitarbeiterbefragung im Jahr 2012 entspannte sich die Personalknappheit. „Heute muss ich kaum mehr Stellen ausschreiben. Ich bekomme drei bis vier Initiativbewerbungen pro Monat.” Nehr erläutert weiter: „Bundesweit dauert es etwa sechs Monate bis freie Stellen wieder besetzt werden können, bei uns geht das immer zeitnah.” Ein weiterer Gradmesser ist die „Gesundheitsquote”, die sich seit Einführung des Gesundheitsmanagements von 92 auf 95 Prozent erhöht hat. „Ich rede bewusst nicht von Krankenstand, denn zu unserem Konzept gehört es, alle Maßnahmen darauf auszurichten, was uns als Menschen und als Organisation gesund erhält.” Müttertour gegen Fachkräftemangel Die umfangreiche Befragung der Mitarbeiter*innen mit dem Belev-Fragebogen schließt auch Themen wie Arbeitsschutz, psychische Gefährdung oder Führungskultur ein. Nehr spricht in seinem Unternehmen von RücklaufquoAdobeStock - Billion Photos Mit Herz für die Gesundheit Thomas Nehr sorgt als Geschäftsführer eines ambulanten Pflegedienstes dafür, dass seine Mitarbeitenden nicht am Limit arbeiten. Dank eines nachhaltigen Gesundheitsmanagements hat der Betrieb im schwäbischen Murrtal trotz Fachkräftemangel ausreichend Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und kann die Menschen in der Region versorgen. Betriebliches Gesundheitsmanagement Für ein systematisches Gesundheitsmanagement im Betrieb braucht man einen langen Atem. Aber es lohnt sich, um auch in Zukunft genügend Mitarbeitende zu haben.

ten von 70 bis 80 Prozent. „Dann weiß man wirklich, wie die Einrichtung funktioniert.” Diese hohen Rücklaufquoten stellen für Nehr, einen eindeutigen Auftrag dar, etwas zu verändern. „Und dem stellen wir uns nach jeder Befragung, die etwa alle drei Jahre stattfindet. Nur wenn wir die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragungen ernst nehmen, können wir etwas verändern. Und nur wenn die Menschen merken, dass sie ernst genommen werden und sich etwas verändert, können wir auch bei weiteren Mitarbeiterbefragungen mit entsprechender Resonanz rechnen.” Nehr ist sich sicher, dass die Teilnahme an den Befragungen abnehmen würden, wenn nach den Befragungen keine Maßnahmen erfolgen würden. „Nach jeder Befragung und Auswertung der Ergebnisse haben wir mit einem externen Berater und einem Team aus Abteilungsleiter*innen in unserem Unternehmen gemeinsam nach Lösungen gesucht.” Nehr erinnert sich, dass es nach der ersten Befragung 2012 so viele Ideen gab, dass es zweieinhalb Jahre dauerte, bis diese der Reihe nach umgesetzt werden konnten. „Wir haben die Reihenfolge danach festgelegt, womit man die größte Wirkung erzielen kann.” Zu den ersten Maßnahmen des nachhaltigen Gesundheitsmanagements gehörte die „Müttertour”. Nehr erläutert, dass es für alleinerziehende Mütter schwierig sei, morgens um sechs Uhr zur Arbeit zu kommen. „Wir haben die Arbeitszeiten für diese Gruppe ihren Bedürfnissen angepasst.” Es entstand die „Müttertour”, das heißt, diese Pflegekräfte beginnen ihre Tour zu den Kund*innen, wenn sie ihre Kinder in Schule und Kita versorgt wissen. „Die Einführung der Müttertour war damals sehr öffentlichkeitswirksam. Es wurde viel darüber berichtet und das Unternehmen wurde auch als Arbeitgeber bekannter.” Als weiteren positiven Effekt beschreibt Nehr, dass Mitarbeiterinnen plötzlich mehr Stunden arbeiten konnten, da die Arbeitszeiten ihren Bedürfnissen angepasst wurden. Abgeschafft wurden in diesem Zusammenhang auch die geteilten Dienste. Arbeiten am Limit schadet der Gesundheit Ziel von Nehr ist es, dass die Mitarbeitenden von „Diakonie ambulant” nicht am Limit arbeiten. Hinweise, ob dieses Ziel eingehalten werden kann, geben der Gesundheitsstand und die Überstundensituation. Nehr hat noch einen anderen Indikator: Das Unternehmen hat ein „Gutscheinmodell” eingeführt, das heißt, wenn Mitarbeitende kurzfristig wegen Krankheit einspringen müssen, bekommen sie einen Gutschein im Wert von 30 Euro, den sie in kooperierenden Läden der Region einlösen können. „Wenn wir fünf bis zehn Gutscheine pro Monat verteilen, ist das bei 60 bis 70 Mitarbeitenden normal. Dann sind wir zufrieden”, so Nehr. „Das konnten wir jahrelang halten.” Im letzten Jahr gab es allerdings Monate, da wurden 20 Gutscheine verteilt. „Dann wissen wir, dass es ein heftiger Monat war und die Mitarbeitenden besonders gefordert waren.“ Gleichzeitig sank im letzten Jahr die Gesundheitsquote. Die Erklärung ist einfach: Höhere Belastung durch die Pandemie und Quarantänezeiten für Mitarbeitende. Nehr ist zufrieden, dass trotz Pandemie im letzten Jahr keine neuen Überstunden aufgebaut wurden, allerdings konnten die Überstunden auch nicht wie geplant abgebaut werden. „Wir begannen das Jahr mit einem guten personellen Polster und sind somit ganz gut durch das Jahr gekommen.” Für Nehr ist das ein Beweis, dass auch die Personalbemessung nicht zu knapp sein darf, damit die Mitarbeitenden in unvorhergesehenen Krisen nicht am Limit arbeiten müssen. Nach mittlerweile vier Mitarbeiterbefragungen und über zehn Jahren Arbeit für ein systematisches Gesundheitsmanagement im Betrieb merkt Nehr, dass ein gutes Niveau erreicht sei. Es gibt kaum noch neue Maßnahmen, die umgesetzt werden müssen. „Aber es wäre fahrlässig jetzt aufzuhören.” Ziel ist es, das gute Niveau im Alltag zu halten. „Das ist schwierig genug, denn kein Tag sei wie der andere.” Den täglich neuen Herausforderungen könne man nur begegnen, wenn Stellen dauerhaft gut und ausreichend besetzt sind, so dass auch bei Urlaub oder Krankheit genügend Mitarbeitende im Einsatz sind. Nehrs Vorgabe im Betrieb lautet, dass es für jede Führungskraft immer zwei Stellvertretende geben muss, damit die Organisation funktioniert. Wenn die Organisation gesund ist, stimmen auch die Zahlen Nehr ist zufrieden mit der Entwicklung seiner Organisation. „Wir gehören mit 1000 Patienten, etwa 80 000 geleisteten Stunden pro Jahr und etwa 70 Mitarbeitenden zu den großen Anbietern ambulanter Leistungen. „Als gemeinnütziger Verein müssen wir keine Gewinne erzieInfodienst 1/22 7 Diakonie ambulant – Gesundheitsdienste Oberes Murrtal e.V. ist eine gemeinsame Einrichtung von Krankenpflegevereinen, Kirchen, Stadt und Gemeinden in der Region im oberen Murrtal in Schwaben. Ziel des ambulanten Dienstes ist es, die Selbstständigkeit der Menschen in ihrem eigenen Zuhause so lange wie möglich zu erhalten und damit ihre Lebensqualität zu fördern sowie Familien in Notsituationen beizustehen. Hierfür machen die knapp 70 Mitarbeiter*- innen über 100.000 Hausbesuche und fahren in der ländlichen Region zirka 350.000 Kilometer im Jahr. Thomas Nehr ist Geschäftsführer eines ambulanten Pflegedienstes und denkt Gesundheitsmanagement ganzheitlich.

Infodienst 1/22 8 Betriebliches Gesundheitsmanagement len, aber wir brauchen Geld für Investitionen. Die betriebswirtschaftlichen Zahlen sind kontinuierlich positiv”, resümiert Nehr. „Das spricht für eine intelligente Organisationsentwicklung, an der Mitarbeitende beteiligt werden.” Und hier komme das Prinzip der Salutogenese ins Spiel. Die Mitarbeitenden in der ambulanten Pflege müssen während ihres Einsatzes Entscheidungen vor Ort selbst fällen. „Sie müssen selbstwirksam mitdenken.” Nehr ist überzeugt, dass es für die Zufriedenheit und somit auch für die Gesundheit der Mitarbeitenden entscheidend ist, ob sie ihre Arbeit verstehen und ob ihre Arbeit Sinn ergibt. Hier seien wieder die Führungskräfte gefragt. „Die betriebswirtschaftliche Entwicklung und Maßnahmen zum Gesundheitsmanagement verlaufen parallel”, so Nehrs Beobachtung. Die Mitarbeiterbindung ist entscheidend: Personalengpässe mit Leasingkräften zu überbrücken, wäre viel zu teuer. Wichtig ist auch, dass das Wissen der Mitarbeitenden im Betrieb bleibt, denn bis neue Kräfte in der ambulanten Pflege vollständig eingearbeitet sind, dauert es ein bis zwei Jahre. „Das kostet Geld und bindet andere Mitarbeiter.” Salutogenese dient im Konzept „BELEV – Gesundes Arbeiten gestalten““ als leitendes Konzept. Dabei geht es um die Kernfrage, wie es Menschen gelingt, trotz großer Belastungen gesund zu bleiben. Das Konzept lenkt den Blick darauf, die Arbeit immer mehr so zu gestalten, dass • möglichst viel verstanden werden kann (Verstehbarkeit), • möglichst viel gut bewältigt werden kann und (Handhabbarkeit) • möglichst viel als bedeutsam und sinnvoll erlebt wird (Sinnhaftigkeit). Dem Konzept liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Gesundheit in der Arbeitswelt durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst wird: die Unternehmensleitung, Führungskräfte, Teams, die Organisation der Arbeit und die Mitarbeitende selbst. In allen Handlungsfeldern wird jeweils eine Verantwortung für Gesundheit gesehen. Damit wird gesunde Arbeitsgestaltung in einen umfassenden Kontext gestellt und die Verantwortung aller Beteiligten sowohl auf der individuellen wie auch auf der organisationalen Ebene in den Blick genommen. Belev kommt von Herzen Der Ausdruck BELEV stammt aus dem hebräischen und bedeutet wörtlich übersetzt „ins Herz“. Das Herz gilt als Zentrum des Menschen und bei Belev heißt es, dass der Mensch seine Haltung und sein Handeln positiv verändert. Das Konzept Belev entstand während des Rückenwind-Projektes „Chronos - den demographischen Wandel gestalten“ im Diakonischen Werk Württemberg, das im Jahr 2009 bis 2012 durchgeführt wurde. Ziel von Chronos war es, die Gestaltung von gesundem Arbeiten in diakonischen Unternehmen zu fördern. Als Qualitätsmerkmale des Konzepts Belev gelten: • Konsequente Orientierung an der Salutogenese • Strukturierte und fokussierte Auswertung der Mitarbeiterbefragung • Systematische Reflexion in den relevanten betrieblichen Handlungsfeldern und Ableitung von Maßnahmen • Abgleich mit den Werten des WAI (Work Ability index) • Global Bench aus den Ergebnissen aller teilnehmenden Einrichtungen • Evaluation durch Aufzeigen der Veränderung in der Einrichtung bei Wiederholung der Befragung (Wirkungsmessung) • Netzwerk der teilnehmenden Einrichtung • Möglichkeiten einer flexiblen Nutzung • Förderung einer offenen und transparenten Kommunikation in der Einrichtung Es liegen Erfahrungen vor, dass eine konsequente Einführung und Verankerung des BELEV-Prozesses zu einer signifikanten Verringerung von Fehltagen sowie einer größeren Zufriedenheit und Arbeitsmotivation von Mitarbeitenden führt. Quelle: BELEV – Gesundes Arbeiten gestalten, Diakonie Baden-Württemberg, 2020 Quelle: Belev

Der Einstieg für mehr Gesundheit im Betrieb Betriebliches Gesundheitsmanagement lässt sich nicht mal eben mit ein paar Einzelmaßnahmen einführen, stellt Nehr klar. Es ist in erster Linie eine Haltung der Führungskräfte. Man kann auch Betriebliches Gesundheitsmanagement nicht von oben verordnen. „Es geht nur in einem gemeinsamen Prozess mit den Mitarbeitenden.” Nehr empfiehlt allen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen wollen, sich erst einmal eine Person von außen zu holen, die bereits Erfahrung mit dem Thema hat. Grundlage des Betrieblichen Gesundheitsmanagements ist ein Konzept. „Nur wer es als Organisationsentwicklung versteht, wird auf Dauer Erfolg haben.” Wichtig sei es, alle Bereiche im Unternehmen an einen Tisch zu holen und zu eruieren, wo der größte Handlungsbedarf sei und mit welchen Maßnahmen man die größte Wirkung erzielen könnte? Nehr empfiehlt, sich lieber weniger vorzunehmen und in kleinen Schritten vorzugehen, dafür aber kontinuierlich an dem Thema dranzubleiben. Nur so könne man Vertrauen gewinnen und auf Dauer erfolgreich sein. „Gesundheitsmanagement im Betrieb funktioniert nur, wenn die Leitung dahintersteht, wenn man professionelle Hilfe von außen holt und wenn es ein entsprechendes Marketing für alle Schritte und Maßnahmen gibt”, fasst Nehr zusammen. Nicht nur gesund, sondern auch familienbewusst Auch die Zeit und Kraft von Thomas Nehr ist begrenzt. Deshalb geht es ihm auch darum, Synergieeffekte zu nutzen. So werden Themen des Arbeitsschutzes oder der psychischen Gefährdungsbeurteilung, die gesetzlich vorgeschrieben sind, über Belev abgedeckt. „Mit der regelmäßigen Mitarbeiterbefragung nach Belev 2.0 kommen wir gleichzeitig unserer gesetzlichen Verpflichtungen in diesem Bereich nach.” Als weiteres Beispiel wie das Gesundheitsmanagement in andere Bereiche wirkt, steht das Prädikat „Familienbewusstes Unternehmen”, mit dem das Unternehmen 2020 ausgezeichnet wurde. Damit wurde der Gesundheitsdienst für sein Engagement für ein familienfreundliches und lebensphasenorientiertes Personalmanagement gewürdigt. Bewertet wurden dabei die Aktivitäten des Unternehmens in den Bereichen Führungskompetenz und Personalentwicklung, Arbeitsort, -zeit und -organisation, Kommunikation, geldwerte Leistungen, Service für Familien, Gesundheit sowie bürgerschaftliches Engagement. „Maßgeblich hat uns das Gesundheitskonzept Belev der Diakonie unterstützt, damit wir die Auszeichnung bekommen haben”, sagt Thomas Nehr. Betriebliches Gesundheitsmanagement trägt maßgeblich zum Erfolg eines Unternehmens bei. Und auch das Ziel des Unternehmens, die Menschen in der Region auch in Zukunft langfristig gut zu versorgen, lässt sich mit Betrieblichen Gesundheitsmanagement, in diesem Fall mit Belev realisieren. Beatrix Flatt Infodienst 1/22 9 „Ich mache auch Werbung für meinen Arbeitgeber” Helga Blank, 63 Jahre, arbeitet seit knapp sechs Jahren als Familienbetreuerin bei „Diakonie ambulant – Gesundheitsdienste Oberes Murrtal e. V.” Ihre Aufgaben beschreibt sie folgendermaßen: „Ich unterhalte Menschen, Spiele mit ihnen, führe Gespräche, gehe mit ihnen einkaufen oder spazieren. Man muss sich immer auf andere Menschen und deren Bedürfnisse einstellen. Manchmal kommt es schon vor, dass die Arbeit zu viel wird, gerade wenn man zu viele Patienten am Tag hat”, erzählt die Mitarbeiterin am Telefon. Das komme aber selten vor. Am Limit arbeitet sie nach eigenen Aussagen nicht. Helga Blank arbeitet 25 bis 30 Stunden pro Woche und besucht in dieser Zeit Menschen in 10 bis 13 Haushalten. Sie entscheidet je nach Wünschen und Absprache mit den Menschen, was sie in der vorgegebenen Zeit gemeinsam machen. „Ich bin sehr zufrieden mit meiner Arbeit und mache auch Werbung für meinen Arbeitgeber.” Es sei ihr auch schon gelungen, neue Mitarbeiter in das Unternehmen zu bringen. Die monatliche Dienstbesprechung ist für sie sehr wichtig, da sie immer allein arbeitet und während ihrer Arbeit keine Kolleg*innen trifft. Sie weiß aber, dass sie bei Bedarf jederzeit die Möglichkeit hat, über Patient*innen zu reden – entweder mit ihrer Abteilungsleiterin oder mit dem Geschäftsführer Thomas Nehr. Das gibt ihr Sicherheit in ihrem Arbeitsalltag. Nehr ergänzt, dass die Betreuungskräfte auch bei schwierigen Situationen – egal ob beruflich oder privat – zu einem externen Coach gehen können. Außerdem gibt es laut Nehr immer die Möglichkeit, Fortbildungen zu besuchen, wenn bestimmtes Knowhow im Umgang mit Kund*innen gefragt sei. Helga Blank ist Familienbetreuerin bei einem ambulanten Pflegedienst.

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