Infodienst 1 / März 2022

ten von 70 bis 80 Prozent. „Dann weiß man wirklich, wie die Einrichtung funktioniert.” Diese hohen Rücklaufquoten stellen für Nehr, einen eindeutigen Auftrag dar, etwas zu verändern. „Und dem stellen wir uns nach jeder Befragung, die etwa alle drei Jahre stattfindet. Nur wenn wir die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragungen ernst nehmen, können wir etwas verändern. Und nur wenn die Menschen merken, dass sie ernst genommen werden und sich etwas verändert, können wir auch bei weiteren Mitarbeiterbefragungen mit entsprechender Resonanz rechnen.” Nehr ist sich sicher, dass die Teilnahme an den Befragungen abnehmen würden, wenn nach den Befragungen keine Maßnahmen erfolgen würden. „Nach jeder Befragung und Auswertung der Ergebnisse haben wir mit einem externen Berater und einem Team aus Abteilungsleiter*innen in unserem Unternehmen gemeinsam nach Lösungen gesucht.” Nehr erinnert sich, dass es nach der ersten Befragung 2012 so viele Ideen gab, dass es zweieinhalb Jahre dauerte, bis diese der Reihe nach umgesetzt werden konnten. „Wir haben die Reihenfolge danach festgelegt, womit man die größte Wirkung erzielen kann.” Zu den ersten Maßnahmen des nachhaltigen Gesundheitsmanagements gehörte die „Müttertour”. Nehr erläutert, dass es für alleinerziehende Mütter schwierig sei, morgens um sechs Uhr zur Arbeit zu kommen. „Wir haben die Arbeitszeiten für diese Gruppe ihren Bedürfnissen angepasst.” Es entstand die „Müttertour”, das heißt, diese Pflegekräfte beginnen ihre Tour zu den Kund*innen, wenn sie ihre Kinder in Schule und Kita versorgt wissen. „Die Einführung der Müttertour war damals sehr öffentlichkeitswirksam. Es wurde viel darüber berichtet und das Unternehmen wurde auch als Arbeitgeber bekannter.” Als weiteren positiven Effekt beschreibt Nehr, dass Mitarbeiterinnen plötzlich mehr Stunden arbeiten konnten, da die Arbeitszeiten ihren Bedürfnissen angepasst wurden. Abgeschafft wurden in diesem Zusammenhang auch die geteilten Dienste. Arbeiten am Limit schadet der Gesundheit Ziel von Nehr ist es, dass die Mitarbeitenden von „Diakonie ambulant” nicht am Limit arbeiten. Hinweise, ob dieses Ziel eingehalten werden kann, geben der Gesundheitsstand und die Überstundensituation. Nehr hat noch einen anderen Indikator: Das Unternehmen hat ein „Gutscheinmodell” eingeführt, das heißt, wenn Mitarbeitende kurzfristig wegen Krankheit einspringen müssen, bekommen sie einen Gutschein im Wert von 30 Euro, den sie in kooperierenden Läden der Region einlösen können. „Wenn wir fünf bis zehn Gutscheine pro Monat verteilen, ist das bei 60 bis 70 Mitarbeitenden normal. Dann sind wir zufrieden”, so Nehr. „Das konnten wir jahrelang halten.” Im letzten Jahr gab es allerdings Monate, da wurden 20 Gutscheine verteilt. „Dann wissen wir, dass es ein heftiger Monat war und die Mitarbeitenden besonders gefordert waren.“ Gleichzeitig sank im letzten Jahr die Gesundheitsquote. Die Erklärung ist einfach: Höhere Belastung durch die Pandemie und Quarantänezeiten für Mitarbeitende. Nehr ist zufrieden, dass trotz Pandemie im letzten Jahr keine neuen Überstunden aufgebaut wurden, allerdings konnten die Überstunden auch nicht wie geplant abgebaut werden. „Wir begannen das Jahr mit einem guten personellen Polster und sind somit ganz gut durch das Jahr gekommen.” Für Nehr ist das ein Beweis, dass auch die Personalbemessung nicht zu knapp sein darf, damit die Mitarbeitenden in unvorhergesehenen Krisen nicht am Limit arbeiten müssen. Nach mittlerweile vier Mitarbeiterbefragungen und über zehn Jahren Arbeit für ein systematisches Gesundheitsmanagement im Betrieb merkt Nehr, dass ein gutes Niveau erreicht sei. Es gibt kaum noch neue Maßnahmen, die umgesetzt werden müssen. „Aber es wäre fahrlässig jetzt aufzuhören.” Ziel ist es, das gute Niveau im Alltag zu halten. „Das ist schwierig genug, denn kein Tag sei wie der andere.” Den täglich neuen Herausforderungen könne man nur begegnen, wenn Stellen dauerhaft gut und ausreichend besetzt sind, so dass auch bei Urlaub oder Krankheit genügend Mitarbeitende im Einsatz sind. Nehrs Vorgabe im Betrieb lautet, dass es für jede Führungskraft immer zwei Stellvertretende geben muss, damit die Organisation funktioniert. Wenn die Organisation gesund ist, stimmen auch die Zahlen Nehr ist zufrieden mit der Entwicklung seiner Organisation. „Wir gehören mit 1000 Patienten, etwa 80 000 geleisteten Stunden pro Jahr und etwa 70 Mitarbeitenden zu den großen Anbietern ambulanter Leistungen. „Als gemeinnütziger Verein müssen wir keine Gewinne erzieInfodienst 1/22 7 Diakonie ambulant – Gesundheitsdienste Oberes Murrtal e.V. ist eine gemeinsame Einrichtung von Krankenpflegevereinen, Kirchen, Stadt und Gemeinden in der Region im oberen Murrtal in Schwaben. Ziel des ambulanten Dienstes ist es, die Selbstständigkeit der Menschen in ihrem eigenen Zuhause so lange wie möglich zu erhalten und damit ihre Lebensqualität zu fördern sowie Familien in Notsituationen beizustehen. Hierfür machen die knapp 70 Mitarbeiter*- innen über 100.000 Hausbesuche und fahren in der ländlichen Region zirka 350.000 Kilometer im Jahr. Thomas Nehr ist Geschäftsführer eines ambulanten Pflegedienstes und denkt Gesundheitsmanagement ganzheitlich.

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