Infodienst 2 / Juni 2020

Zielgruppengerecht zu bauen ist ein komplexer Prozess: Über das Raumkon- zept, die gesamte Innenarchitektur bis hin zum Orientierungs- bzw. Leitsystem will alles gut durchdacht sein. Aus dem Raumkonzept ergeben sich die Lebens- räume für die Nutzer und Nutzerinnen, in denen deren atmosphärischen Be- dürfnisse an Wohlbefinden und Sicher- heit erfüllt sein sollten. Genauso müssen aber auch die Arbeitsräume für die Mit- arbeitenden, in denen sie ihre Arbeiten prozessorientiert, effizient und kosten- bewusst erledigen sollen, in das Konzept einbezogen werden. Damit muss das Raumkonzept eine hohe Funktionalität erfüllen. Der Gestaltung und Planung der Flächen- und Wohnräume sollte folglich eine höhere Bedeutung beige- messen werden als nur nett auszusehen. Der Schweizer Architekt Serge Fayet beschreibt seine Sicht auf Planungspro- zesse wie folgt: „Der Planungsprozess von Gesundheitsbauten ist geprägt von unzähligen Schnittstellen. Schnittstellen zwischen den vielen unterschiedlichen Nutzern, den strategischen Zielen der Direktion. Schnittstellen zwischen Ar- chitekten, Fachplanern, Spezialisten. Schnittstellen zwischen Logistik, Un- terhalt, Reinigung und Gestaltung sowie Schnittstellen einer betriebsorientierten Infrastruktur und Städtebau (…)”. Hohe Anforderungen an das Wohnen Ist es überhaupt möglich, den Ge- schmack und Zeitgeist von 50 oder 100 Indivdualisten, die in einer Gemein- schaft leben, mit einem Wohngestal- tungskonzept zu treffen, das richtige Maß an Vergangenheit, Biografie zu bewahren, neue Gedanken und Erle- bensfreude zu animieren, ohne Räume und Gedanken zu überfrachten? Wohnen ist geprägt von der eigenen, individuel- len Wohn-Entwicklung und damit eng verknüpft mit persönlichen Haushalts- gegebenheiten in einzelnen Lebens- phasen und sozialen Verankerungen in verschiedenen Wohntypen. In jeder Altenhilfeeinrichtung treffen nun all diese Wohnindividualisten aufeinander. Hinzu kommen die Vorlieben der Mit- arbeitenden, die es in ihrem Arbeits- umfeld auch angenehm haben möchten. „Wohnung” bedeutet ursprünglich „zu- frieden sein” und „bleiben“. Bedenkt man, dass eine Wohnung eine selbstän- dige Lebensführung ermöglichen soll, wird klar, wie wichtig eine professio- nelle Wohnumfeldgestaltung ist. Die Professorin Elisabeth Leicht- Eckardt spricht von einer Wohnqualität mit den 3 S-Schlagworten: Selbständig- keit, Selbstverantwortung und soziale Unabhängigkeit. Vergessen wird dabei, dass neben diesem subjektiven Wohn- wert, der meist auf jahrelanger Gewohn- heit beruht, bei notwendiger ambulanter Versorgung, Betreuung oder Pflege ein objektiver Nutzwert von Wohnungen relevant wird. So stimmt die Sicht eines Mitarbeiters häufig nicht mit dem von Bewohnern definierten Wert überein. Die Haushalts-, Wohn- und Sozialsitua- tion kennzeichnen den inneren und äu- ßeren Wohn- bzw. Nutzwert und die Möglichkeit einer häuslichen Dienstleis- tungserbringung. Aus hauswirtschaftlicher Perspektive muss hier Fachkenntnis eingebracht werden, wenn die Wohnraumgestaltung dauerhaft als sinngebendes Element wir- ken soll. In der Praxis wird dieses The- ma meist in den Aufgabenbereich des sozialen Dienstes veschoben und dort als Beschäftigungselement eingesetzt. Bereits die hauswirtschftliche Aus- bildung greift dieses Themenfeld auf. Im früheren Prüfkatalog des Medizini- schen Diensts der Krankenversicherung (MDK) wurde diese Aufgabenstellung der Verantwortlichkeit der Hauswirt- schaft zugeordnet. Zeitgemäß wäre ein interdiszipliär besetztes Team, das sich regelmäßig der Aufgabenstellung einer klientenorientieren Wohngestaltung widmet und diese weiterentwickelt. Alltägliche Wohnumfeldgestaltung hat mehrere Aufgaben, zum einen das beste- hende architektonische Konzept auf- recht zu erhalten und zum anderen eine lebenswerte und wohnliche aber auch sichere Atmoshäre zu gewährleisten. Um den Anforderungen der unterschied- lichsten Seiten Rechnung tragen zu kön- nen, hilft die Entwicklung eines Wohn- umfeldgestaltungskonzeptes. Folgende Themen zeigen exemplarisch, wie viele Aspekte bei einer Grundge- staltung von Wohnraum Einfluss haben: • Farben und ihre Wirkung • Essbare, giftige, verletzende Pflanzen und Pflanzzubehör • Mobiliar, Einrichtungsgegenstände und ihre Wirkung • Stoffe, Rohstoffe, Design, textiler Brandschutz • Musik, akustische Reize Infodienst 2/20 8 Wohnen Der Mensch im Mittelpunkt Wohnraumgestaltung erfordert viel Fachwissen und Kreativität. Sie gelingt am besten im interdisziplinären Team. Oft gehört Wohnraumgestaltung zu den Aufgaben und Kompetenzen der Hauswirtschaft. Was es alles bei der Wohnraumgestaltung von der Planung eines Neubaus bis zur alltäglichen Dekoration zu beachten gilt, wird in diesem Beitrag erläutert. Die Gestaltung des Wohnumfeldes ist ein komplexer Prozess und geht bis zur Auswahl der Zimmerpflanzen. Wie wär es mit Kräutertöpfen in Senioreneinrichtung zur Dekoration?

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