Infodienst 3 / September 2022

sig: Die Algenexperten schwärmen: „Algen wachsen 10 bis 30mal schneller als Landpflanzen. Und sie liefern wichtige Proteine. Damit können sie einen wichtigen Beitrag zur Welternährung leisten.” Außerdem strotzen Algen vor Vitaminen und Mineralstoffen. „Algen erhalten viele lebenswichtige Nährstoffe in konzentrierter Form, deren Bedarf wir mit der üblichen Ernährung oft gar nicht mehr decken können”, wirbt Ullmann für Algen. Inhaltsstoffe wie Eisen, Calcium, Jod, Vitamin B12 und hochwertige Fettsäuren wie Omega-3-Fettsäuren machen Algen zum Superfood. „Weltweit leiden viele Menschen an Mangelernährung und Unterernährung. Algen können die schlechte Versorgungslage in weiten Teilen der Welt verbessern”, so Knufmann. Die Algenfarm in Klötze ist eine Pilotanlage. „Hier wird seit 20 Jahren Pionierarbeit geleistet.” Weltweit war es die erste Anlage, die Mikroalgen in einem Glasröhrensystem anbaut. Mittlerweile gibt es allein in Europa 400 Algenfarmen, die Algen produzieren. Ullmann ist mit der Algenfarm Teil eines weltweiten Forschungsnetzwerkes zum Thema Algen. Als „forschendes Unternehmen” arbeitet er mit Universitäten und Hochschulen zusammen und steht mit Wissenschaftler*innen aus der ganzen Welt imAustausch. Ein Aspekt der Forschung betrifft zum Beispiel das Vitamin B12. Die offizielle Ernährungswissenschaft sagt, dass dieses Vitamin nur in tierischen Lebensmitteln enthalten sei. Die Empfehlung lautet deshalb, dass Veganer Vitamin B12 als Nahrungsergänzung zu sich nehmen sollten. Vitamin B12 ist allerdings in Algen enthalten. Nun wird daran geforscht, ob es in der enthaltenen Form auch für den menschlichen Organismus verfügbar ist. „Und die Ergebnisse sind vielversprechend”, so Ullmann. Ein anderer Hoffnungsträger ist in Algen enthalten, an dem in Klötze geforscht wird: Spermidin. Nach heutigen Erkenntnissen kommt dieser Stoff in allen lebenden Organismen und in allen Körperzellen vor und ist eng mit dem Zellwachstum verbunden. Es wird vermutet, dass Spermidin die Alterungsprozesse im Körper verlangsamt. Im Moment wird dieses Nahrungsergänzungsmittel überwiegend aus Weizenkeimen gewonnen. „In Algen, zum Beispiel in Chlorella, ist aber die fünffache Menge enthalten”, erläutert der Algenexperte. Wissenschaftskommunikation und Aufklärung notwendig Ullmann ist Mitglied in verschiedenen Kommissionen und Gremien auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene, um den Algenanbau in Europa und weltweit als Zweig der Landwirtschaft zu etablieren. Knufmann tritt als Referentin auf Kongressen für Ernährung oder gesunde Lebensführung auf. Sie schreibt Kochbücher und vermarktet Algen unter anderem die Mikroalgen aus der Algenfarm in Klötze als Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel. Knufmann experimentiert viel in ihrer eigenen Küche sowie in der Produkteentwicklung für PureRaw, um Algenprodukte und Algenrezepte zu entwickeln. Mit MagicBlue, einem Pulver aus der SpirulinaAlge, zaubert sie blaue Smoothies oder Eiscreme – ganz ohne synthetische Farbstoffe, dafür mit gesunden Inhaltsstoffen der Alge. Mit Pulver aus der Chlorella-Alge lassen sich grasgrüne Drinks mischen oder farblich interessante Nachtische kreieren. Auch Marmorkuchen in gelb-grün statt gelb-braun ist dank Chlorella möglich. Knufmann entwickelte außerdem ein Ersatzprodukt für Ei und Butter auf Algenbasis zum veganen Backen. Sie freut sich, dass ihr Unternehmen so erfolgreich ist und dass sie auch schon einige Preise als Unternehmerin gewonnen hat. Sie sieht sich nicht als erfolgreiche Einzelkämpferin, sondern sie möchte etwas bewegen. „Es ist kein Trend, was wir hier machen, sondern es ist notwendig und es schmeckt.” In ihrem Unternehmen PureRaw hat sie elf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, die im Bereich Konfektionierung, Abfüllung, Versand, Lager, Qualitätsmanagement, Qualitätssicherung, Produktentwicklung und Marketing arbeiten. Hinter einem Schleusengang mit Hygieneschutz befüllen zwei Mitarbeiterinnen Tüten mit abgewogenen Samen, Beeren und Pulvern. Wenn Knufmann neue Rezepte entwickelt, werden ihre Mitarbeitenden regelmäßig in die Verkostung und Sensorikprüfungen einbezogen. Knufmann schwärmt von Bubble-Tea und veganem Kaviar auf Algenbasis. Beide Produkte stehen für sie für neue Geschmackserlebnisse und eine vielseitige Algenküche. Doch bis dieses Wissen in der breiten Bevölkerung angekommen ist, ist noch viel Aufklärung, Wissenschaftskommunikation und Algen-Marketing notwendig. Durch Veranstaltungen, Messeauftritte, Seminare und Vorträge arbeitet sie daran, Industrie, Verbraucher und Algenproduzenten zusammenzubringen. Immer geht es um die Fragen: Wie kommt die Alge auf die Teller in den Restaurants, in den Großküchen und in den über 40 Millionen Haushalten in Deutschland? Wie können Menschen Algen in ihren Küchenalltag integrieren? Dabei sind „Meerespflanzen” in der Ernährung gar nicht neu, gibt Ullmann zu Bedenken. Die Makroalgen wurden in erster Linie dort genutzt, wo sie verfügbar waren, also in Küstennähe. In Japan gelten Algen seit mindestes 1500 Jahren als bedeutendes Nahrungsmittel. Man weiß, dass Algen auch in China, auf Hawaii und bei den Maori in Neuseeland schon sehr lange eine große Rolle spielen. Die Vielfalt der Algen ist riesig und ihr Einsatzgebiete sind sehr unterschiedlich. Ullmann erläutert, dass es etwa 47 000 Algenarten gibt, bisher nutzt der Mensch etwa 100. Die Gemeinsamkeit aller Algen ist, dass sie Photosynthese betreiben und Wasser zum Leben brauchen. Infodienst 3/22 8 Zukunft

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