Infodienst 5 / Oktober 2017

stärker einzusetzen. Die Bewohner könnten davon profitieren und für den Schritt in die Selbstständigkeit wäre es sehr hilfreich. Aber politisch sei das auf absehbare Zeit kaum durchsetzbar. Die Hauswirtschaft hat im Werkheim schon immer einen hohen Stellenwert, freut sich Christine Wilke über die Anerken- nung, die ihr hier entgegengebracht wird und über den Gestaltungsraum, den sie hat. Erfolg lässt sich laut Andreas Sonnen- berg nicht in Kennzahlen ausdrücken. „Was heißt geschafft? Für uns ist es schon erfolgreich, wenn jemand seine Probleme angeht. Und wenn jemand ein für ihn würdevolles Leben führen kann, ist das auch ein Erfolg, auch wenn die Lebenssituation aus unserem Blick- winkel betrachtet immer noch problema- tisch ist. Erfolg ist auch, wenn die Menschen verstehen, was mit ihnen pas- siert.” „Es ist ein Kraftakt, was die Menschen hier leisten. Ich habe alle Hochachtung vor diesen Menschen”, ergänzt Sonnen- berg. „Es ist fast eine übermenschliche Leistung von hier wieder in normale Bezüge zu kommen.” Umso erfreulicher sind dann kleine Erfolgserlebnisse: F.W. lebt auf Dauer hier, da er es laut Prognose nicht mehr schaffen wird, sein Leben selbst zu orga- nisieren. Alkohol ist sein ständiger Be- gleiter. Aber er hat zwei feste Termine in der Woche: Probe mit der Band „Büttner Best Choice”. Dann setzt sich der Mu- siker ans Schlagzeug und gibt den Rhythmus vor. Die Band aus Bewohnern des Werkheims ist mittlerweile über den Stadtteil hinaus bekannt und selbst eine Einladung zu einem Sommerfest einer diakonischen Einrichtung in Berlin liegt vor. F.W. erzählt, dass er seit seinem 18. Lebensjahr Schlagzeug spielt und die Begeisterung, mit der er das macht, ist sofort zu spüren. „Wir versuchen immer, mit den Kompe- tenzen der Menschen zu arbeiten und diese dann auch in der Öffentlichkeit zu zeigen”, erläutert Andreas Sonnenberg das Konzept. So entstand auch die Idee zu einem Benefiz-Etappen-Marathon, der in diesem Jahr zum zehnten Mal aus- getragen wurde. Eine Läufergruppe aus Bewohnern und Mitarbeitern hatte die Idee dazu: „Wir wollen etwas an die Gesellschaft zurückgeben. Das heißt, wir laufen nicht für uns selbst, sondern für verschiedene regionale Kinder- und Jugendprojekte.” Es geht bei dem Bene- fizlauf nicht um Schnelligkeit oder Sieger, sondern darum, etwas gemein- sam zu machen. So läuft der Küchen- leiter Alexander Rapior mit dem Tempo 6:30 min/km voraus und alle anderen Läufer passen sich dem Tempo an. Und es gibt nur Sieger: Das Thema Woh- nungslosigkeit rückt in die Öffentlich- keit, die Bewohner merken, dass sie etwas leisten können, es wird Geld für Kinder- und Jugendprojekte gesammelt und die Kinder, die mitlaufen, erfahren, wo echte Not ist. Die Strecke von knapp 45 Kilometer ist in neun Etappen einge- teilt und jeder kann so viele Etappen mitlaufen, wie er möchte – bis zum Marathon. Start und Ziel ist in der Bütt- nerstraße auf dem Gelände der Ein- richtung. Und hier kommt auch die Hauswirtschaft ins Spiel: Es gibt nicht nur Zwischenverpflegung an den jewei- ligen Etappenzielen, sondern am Schluss gibt es ein großes Läuferbuffet. „Wir wollten nicht die übliche Bratwurst anbieten, sondern etwas Leichtes und Gesundes”, erzählt Christine Wilke. So gibt es verschiedene selbstgebackene Brotsorten, verschiedene Dips und jede Menge Gemüsesticks. Statt finanzieller Mittel setzen wir das ein, was wir gut können: „Laufen, organisieren und netz- werken.” Beatrix Flatt Infodienst 5/17 10 Mit dem Benefiz-Etappenlauf ver- sucht der Verein Werkheim e.V. die Öffentlichkeit für das Thema Woh- nungslosigkeit zu sensibilisieren. Gleichzeitig werden Spenden für Kin- der- und Jugendprojekte gesammelt. Es laufen nicht nur Mitarbeiter und Bewohner, sondern Menschen aus allen Bevölkerungsgruppen. Der Küchenleiter Alexander Rapior (vorne links) gibt das Tempo an.

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